Höchstwahrscheinlich kennt sie jeder, ob aus dem Privaten- oder Arbeitsumfeld: die Opferrolle. Opfer sind notorisch übergangen, immer benachteiligt, nie schuldig, klagen unentwegt, waschen die Hände in Unschuld und es geht ihnen permanent schlecht.
Menschen, die in die Rolle des Opfers schlüpfen, sind perfekt im Ausreden finden und können sich zumeist nicht selbst reflektieren.
Schwierig wird es, wenn Menschen in dieser Rolle in unserem Freundes- oder Arbeitsumfeld auftauchen. Sie sind Meister darin, anderen die Schuld zuzuweisen, hinter dem Rücken zu reden und andere für ihre eigene Situation verantwortlich zu machen. Dies kann unter Umständen ganze Freundeskreise oder Arbeitsteams spalten und sogar zerstören. Man geht automatisch auf Distanz, um den Kontakt zu meiden!
Typische Phrasen der Opfer:
- Ich hätte es ja schaffen können, aber
- Wenn das oder jenes nicht dazwischen gekommen wäre…
- Weil andere … konnte ich ja nicht…
Warum schlüpfen Menschen in die Opferrolle?
Diese Rolle ist bequem und einfach. Andere sind immer schuld an unschönen Situationen, nie man selber, somit muss sich das Opfer auch nicht selbst reflektieren und schon gar nicht an sich selber zweifeln.
Einfacher ist es, sich bemitleiden zu lassen. Die Welt ist so grausam und gemein und der Zuspruch von Freunden und Kollegen tut unheimlich gut. Der Grund warum Menschen gerne in die Rolle schlüpfen ist in ein paar Worten leicht zu erklären.
Selbstmitleid und geringes Selbstbewusstsein
Opfer geben im Prinzip gerne Verantwortung vielfältiger Art ab. Obwohl sie nach außen hin häufig den Anschein erwecken, eigentlich alles unter Kontrolle zu haben. Wenn Aufgaben nun schwieriger zu bewältigen sind, kommt schnell das Selbstmitleid auf, das Opfer* ist frustriert und lädt nun zielgerecht die Schuld der nicht getanen Arbeit auf andere.
Ich hätte es ja schaffen können, aber… (Ausrede)
Hinzu kommen hierbei ebenfalls das geringe Selbstwertgefühl und das dringende Verlangen nach Aufmerksamkeit und Bestätigung.
Bequemlichkeit
Die Opferhaltung bedeutet passiv bleiben, sich in Selbstmitleid suhlen, jammern, andere beschuldigen und Ausreden in petto zu haben. Somit müssen sich niemals die Opfer, sondern nur die „Täter“ ändern. „Ich kann ja eh nichts ändern, ich bin ja lediglich das arme Opfer.“
Rachegelüste
Die Idee in anderen Lebenslagen benachteiligt worden zu sein schwingt bei diesen Menschen immer mit. Neid, gekränkte Eitelkeit, verletzter Stolz und der Ärger über andere Mitstreiter führt zur Idee der Heimzahlung. Rechnungen müssen beglichen und Peiniger in den Fokus der Schuld gestellt werden. Dabei ist es völlig irrelevant ob der Peiniger aus der Vergangenheit als Verlierer hervorging, allein das Gefühl, dass eine Rechnung nie beglichen wurde zieht sich in alle neuen Bereiche des Lebens. Somit trifft es mitunter auch neue Bekannte oder Teamkollegen die sich nun den Schuldzuweisungen der Opfer stellen müssen.
Lästern – Schuld sind immer die anderen
Man sagt: Lästern befreit die Seele und vor allem obliegt das Lästern zumeist den Frauen. Ein Fünkchen Wahrheit ist an dieser Aussage sicherlich dran. Doch wichtig hierbei ist: Zu viel Lästern zeigt die eigene Schwäche. Man möchte seine eigenen Fehler vertuschen.
Menschen in der Opferrolle lieben es zu lästern. Ein Schuldiger muss her! Ob hinter dem Rücken von Freunden oder Arbeitskollegen. Damit bestätigen sie sich selbst, lenken von sich ab, und ihre eigene Idee das Opfer zu sein stärkt sich in ihren Köpfen. Mitleidige Blicke und guter Zuspruch von Anderen ist garantiert.
Übrigens heben sie sich somit auch in die moralisch bessere Position.
Die Frage stellt sich nur: Wann fliegt man auf?
Opfer können sich nicht selbst reflektieren
Aufgrund der von ihnen eingenommen Rolle ist es ihnen nicht möglich sich selbst zu reflektieren. Die Wahrnehmung ihrer Selbst und der Umwelt ist völlig verschoben. Auch direkte Versuche die Opfer dazu zu bringen sich selbst infrage zu stellen scheitert zumeist. Sie möchten sich nicht aus der bequemen Rolle herausbewegen oder fallen oftmals nach Änderungsversuchen zurück in ihre alten Muster.
Drang nach Aufmerksamkeit
Ist es nicht schön, wenn andere Menschen die Seele streicheln? Wie schlecht geht es den Opfern, wie sehr bemitleiden wir sie bevor wir sie enttarnt haben?
Wir schenken volle Aufmerksamkeit, geben Tipps und loben. Wichtig: Die Tipps werden nur zur Tarnung angenommen.
Das Abwägen von Prioritäten fällt oftmals schwer
Da die Opfer in eigener Welt leben, in der fast jeder gegen sie arbeitet, fällt es ihnen besonders schwer wichtig von unwichtig zu trennen. Sie suchen sich gezielt Beschäftigungen oder Arbeiten, bei denen sie genau wissen, dass sie kaum Fehler begehen können. Dabei ziehen sie sich geschickt aus anderen Arbeitsbereichen heraus. Begründungen sind mit Bedacht gewählt:
„Weil andere…“ „Ich hätte es ja gemacht, aber andere…“
Minderwertiges Selbstwertgefühl
Menschen, die die Opferrolle für sich gefunden haben, vergleichen sich gerne mit anderen. Inoffiziell versteht sich. Der Unmut gegenüber den Menschen wächst, denn sie wissen, sie können in bestimmten Punkten nie „gewinnen“. Hierbei helfen die Opferrolle und das Lästern perfekt. Schuld sind immer die Besseren bzw. Kompetenteren.
Wie findet man aus der Opferrolle raus
Habt ihr die genannten Punkte bei einer Person beobachtet, könnt ihr sicher sein, einen Menschen in der Opferrolle enttarnt zu haben.
Doch wie kommen sie auch dieser Rolle heraus und ist es uns persönlich wichtig ihnen zu helfen?
Oftmals bewegen sich anderen von den Opfern weg. Sie sind schlichtweg genervt vom ständigen Klagen und Lästern. Auch Gespräche bleiben fruchtlos.
Klar jedoch ist, diese Rolle sollte abgelegt werden, denn gesund ist sie weder für die Menschen die sich darin befinden, noch für das Umfeld.
Erst einmal sollte es diesen Menschen bewusst werden, dass sie diese Rolle perfekt eingenommen haben. Es ist nahezu zur Gewohnheit geworden, dass die böse Welt da draußen sich gegen sie verschworen hat.
Gestärkt werden sollte das Selbstbewusstsein, das gute Maß an Optimismus, sowie eine Stabilität der positiven Gefühle.
Wichtig ist es ebenfalls zu erkennen, dass immer mehrere Wege zum Ziel führen, hierzu benötigt es einen klaren Perspektivwechsel.
Auch der Umgang mit den anscheinend nicht zu schaffenden Aufgaben darf realistischer und konstruktiver betrachtet werden- mit etwas Optimismus bitte.
Ich bin der Meinung, dass Menschen bei diesem Prozess von einem Experten begleitet werden sollten.
Jedoch können wir ihnen in der Entwicklungsphase: Raus aus der Opferrolle Mut zu sprechen und zum selbst reflektieren anregen.
Kennt ihr Menschen, die die Opferrolle eingenommen haben?
Buchtipps:
Opferrolle verlassen – Die 6 Schritte zur Freiheit *
Abschied von der Opferrolle *: Das eigene Leben leben
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20 thoughts on “Die anderen sind Schuld – Opferrolle”
Leider kenne ich viele die sich in dieser Rolle regelrecht sulen und mich wahnsinnig machen. Einige schafften es raus und finde ich super. Man muss eben aufpassen nicht alle in diese Schublade zu stecken die eigentlich nur momentan in dieser Rolle kurz sind aber eigentlich anders sind. Es gibt Lebenslagen da ist es schwierig zu fokussieren und auszubrechen aus solch einem Schema. Aber insgesamt mag ich persönlich solche Menschen die ihr ganzes Leben so beschreiten nicht wirklich.
Hey,
ich gebe dir absolut Recht- es ist wichtig zu unterscheiden und genauer hinzusehen.
Absolut- es gibt Abschnitte im Leben, da „ist es eben mal so“ und es steht viel im Weg und den richtigen zu sehen.
Ich hoffe immer, dass jeder Chancen wahrnimmt.
Liebe Grüße!
Hi liebe Jenny.
Leider habe ich auch diese Erfahrung mit 2 ehemaligen Kollegen machen müssen. Das nervt nicht nur, sondern ist auch anstrengend.
LG SABINE
Liebe Sabine,
ja das ist sehr schade- ich hoffe sie haben den Weg herausgefunden?
Liebe Grüße!
Hallo, danke für den Artikel und die Beleuchtung der Hintergründe. Ich habe gerade einen Bekannten der auch in diese Rolle verfiel und jetzt wurden ihm mal die Augen geöffnet. Gut, dass man das ändern kann. Beste Grüße Nadja
Sehr gerne. Ich freue mich, dass es der Bekannte erkannt hat.
Liebe Grüße!
Eine gute Zusammenfassung. Kurz und knackig. Menschen müssen die Rolle erst einmal erkennen. Wenn das nicht passiert machen sie es sich bequem da drain.
Das kann man aber geregelt kriegen wenn man es gemerkt hat.
Schönen Abend.
Hey,
ich gebe dir recht, man muss es erst erkannt oder anerkannt habe.
Dir auch einen schönen Abend!
Ich habe gelesen und mir fiel auf: Somit muss sich nicht das Opfer sondern der Täter ändern. Das wurde mal von mir abverlangt. Ich habs aber durchschaut und mir tat auch die Person so richtig leid. Hat mich aber auch fertig gemacht die ganze Geschichte. Ich bin dann gewechselt und jetzt auch glücklich.
Scheint so als ob da nicht jeder rauskommt aus der Nummer.
Stay Safe
Hallo Annika,
es freut mich sehr zu lesen, dass du jetzt glücklich bist, das ist die Hauptsache.
Liebe Grüße!
Ich glaube, jeder hat das schon mal erlebt. Ich finde es sehr anstrengend, wenn es auf Kosten anderer geht. Auf Dauer mache ich sowas nicht mit und trenne mich dann lieber.
Liebe Grüße Sabine
Hey Sabine,
absolut, man muss auch für sich selber entscheiden wann Dinge toxisch werden und sich ggf. auch trennen.
Liebe Grüße!
Ein sehr interessanter Artikel, man muss halt immer den Hintergrund der Person sehen, da ich selbst einiges mitgemacht habe in der Kindheit usw und jetzt so richtig an mir arbeite, kenne ich beide Seiten – auf jeden Fall ein wichtiges Thema …. LG Babsi
Liebe Babsi,
oh das tut mir leid zu lesen, dass du beide Seiten kennst und natürlich- jeder Mensch trägt sein Päckchen – ABER du arbeitest an dir und das ist das Beste was du machen kannst.
Liebe Grüße!
Oh ja! Im engsten Bekanntenkreis haben wir so ein passioniertes Opfer und weil sie die Lebensgefährtin eines guten Freundes ist, kann man ihr kaum aus dem Weg gehen. Bei solchen Menschen geht die Opferrolle oft auch noch mit einer gewissen Hypochondrie einher. Und das kann ich ja gar nicht haben!
LG
Sabiene
Das ist natürlich anstrengend 🙁 – hat man ihr Hilfe angeboten?
Liebe Grüße!
Es gibt Phasen im Leben oder Schicksalsschläge, wo man das Opfer ist. Ich finde es gut, wenn man dann für diese Person da ist, sie nicht im Stich lässt und ihr hilft da wieder raus zu kommen. Blöd wird es nur, wenn das ganze jahrelang dauert und die Person gar nicht aus der Opferrolle raus will. Ich habe eine ehemalige Arbeitskollegin, die sich vor 14 Jahren scheiden ließ und die bis heute nicht darüber hin weg kam. Das ist dann sehr anstrengend und man meidet eher den Kontakt. Liebe Grüße Ivi
Ohje das tut mir leid für die Kollegin :(. Ich hoffe sie schafft den Absprung noch!
Wichtig finde ich die Rolle an sich zu erkennen und dann kann man auch etwas dagegen tun, mit den richtigen „Werkzeugen“.
Liebe Grüße!
Hallo liebe Jenny,
ich finde du hast hier einen sehr interessanten Artikel geschrieben, der auch wachrüttelt. Ich glaube in der Opferrolle war jeder schon einmal. Sei es über längere oder über kürzere Zeit hinweg.
Du hast es sehr schön geschrieben: Die Opferrolle ist eine ziemlich passive Rolle. Man muss etwas verändern um hinauszugelangen. Das ist nicht immer einfach. Gerade dann, wenn man eben keinen Ausweg sieht oder eben keinen Weg, der für einen funktioniert. Und gerade hier muss man dann oft Mut beweisen.
Sicherlich ist es nicht einfach mit Menschen, die sich permanent als Opfer sehen, Zeit zu verbringen. Doch ist es der richtige Weg sie in dieser Situation alleine zu lassen und wegzugehen? Das wäre ebenfalls ein „Davonlaufen“. Ich denke Artikel oder eben auch manchmal Worte wie deine/r können helfen sich selbst zu reflektieren und aus der Situation auszubrechen.
Sehr schön geschrieben :o)
Liebe Grüße
Tanja
Liebe Tanja,
natürlich sollte man Menschen darauf aufmerksam machen und für sie da sein, wenn sie sich in einer solchen Rolle befinden- in der Hoffnung, dass sie den Beistand annehmen.
Ich gebe dir auch recht, dass sicherlich jeder schon einmal, mehr oder weniger in einer solchen Rolle waren, vielleicht sogar auch unbemerkt.
Liebe Grüße!